„Spannend und stimmig“ par Tango Danza

"Das Wortspiel des Album-Titels ist ein etwas keck-provokativer Augenfänger, signalisiert nichtsdestoweniger zutreffend, dass bei der Musik dieses Duos keine traditionellen Hörererwartungen bedient werden. Über zwölf Titel hinweg, davon zehn Eigenentwürfe, melangieren hier Tango-Tradition – verkörpert durch den Bandoneon-Spieler Juanjo Mosalini, Sohn des Bandoneonisten und Orchesterleiters Juan Jose Mosalini – und Rockidiom durch den Gitarristen Adrian Fioramonti. Keine Spur davon (woran man zunächst denken mag), dass hier Disparates aufeinanderprallt und ein unstimmiges, mit Brüchen und Rissen durchsetztes musikalisches Konstrukt zurücklässt; verwundert und angeregt stellt man vielmehr fest, dass hier zwei hochsensible, stilsichere Akteure am Werke sind, die überaus einfühlsam und interaktionssicher miteinander umgehen. Nicht nur, dass Fioramonti die meisten Kompositionen beisteuert, diese sich durch Feingliedrigkeit und differenzierte Dynamik auszeichnen; er agiert auf seiner E-Gitarre auch nicht minder nuancenvoll als auf den acht Stücken mit akustischer Konzertgitarre. Und so umgarnen sich die Linien der beiden in stimmungsvollen Balladen oder quirlig-tänzelnden Milongas – geradezu traditionsverbunden Mosalinis thematisch pointierte „Milonga para Luis“, jazzakzentuiert mit einer herausragenden „Bandoneon-Parilla“ hingegen Fioramontis „Esquirlas“. Aber es kommt auch zu deftigen, effektvollen Kollisionen und Reibungen. Beschränkt sich Fioramonti in „Pablo“ noch auf wohlplatzierte Dehntöne, so konterkariert er bereits im Mittelteil des Titelstücks Mosalinis geschmeidige Bandoneonlinie mit harten, rhythmischen Rock-Clustern auf der E-Guitarre, welche Mosalini sodann mit gleichem Mittel pariert, bis sich beide wieder in der behutsamer gestalteten Reprise des melodiösen Themas wiederfinden. Mit ihren kantigen, rhythmischen, repetitiv verwendeten Themenmotiven steht der Rock-Tango „Juarez“ ganz in der Tradition von Piazzollas Tango-Nuevo; über schroffe E-Gitarrenriffs fließt kraftvoll Mosalinis melodiöser Chorus, bis sich Fioramonti mit machtvollen, triumphierenden Dehn- und Zerrklängen gegen die weinerlich-wimmernden Bandoneon-Melismen stemmt; zwar etwas monoton sodann (aber in struktureller Symmetrie), dass Mosalini diese rockdramatische Steigerung nur mit Akkordriffs verschränkt, dennoch: Spannend und im Gesamtbild mindestens so stimmig wie der sogenannte „ehrliche Bruch“ in der modernen Architektur bei der Verbindung historischer mit erweiternder, moderner Bausubstanz."
Par Gerhard LITTERST – TANGO DANZA